Hubert Weinzierl 2013. (Bild: Toni Mader/BN)

Er war einer der wichtigsten Natur- und Umweltschützer der Bundesrepublik, vielleicht sogar der wichtigste: Hubert Weinzierl. Der langjährige Vorsitzende des Bund Naturschutz in Bayern (BN), des Umweltverbandes BUND und des Dachverbands Deutscher Naturschutzring ist jetzt im Alter von 89 Jahren gestorben.

Mit seinem Namen verbindet sich die Gründung des ersten deutschen Nationalparks im Bayerischen Wald, der Kampf gegen die Atomkraft, das Bewusstmachen der Themen Waldsterben, Artenschwund und Klima.

Doch er war auch Naturlyriker und Bildungsarbeiter. Er selbst sah sich als "pathologischen Optimisten".

Geboren 1935 in Ingolstadt, erlebte Weinzierl als Kind die Zerstörung des Krieges – und fand in den Wäldern des Bayerischen Waldes bei seinem Onkel erste Zuflucht. Früh entwickelte er dabei ein Gespür für die Schutzbedürftigkeit der Natur und die Verletzlichkeit ihrer Ordnung.

In München studierte er Land- und Forstwirtschaft, dann betätigte er sich als Unternehmer sowie Land-, Forst- und Teichwirt. Im München lernt er auch Persönlichkeiten wie den Zoologen Bernhard Grzimek und Verhaltensforscher Konrad Lorenz kennen, die ihn prägten.

Schon ab 1953, mit 17, engagierte Weinzierl sich aktiv im Naturschutz. 1969 übernahm er den Vorsitz des Bund Naturschutz – damals noch ein staatstreuer Altherrenverein.

Unter seiner Leitung entwickelte sich der 1913 gegründete Verband zu einer unabhängigen, kritischen und dank der Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge finanziell eigenständigen Umweltorganisation. Mit dem Aufbau von Orts- und Kreisgruppen in ganz Bayern sicherte Weinzierl die organisatorische Schlagkraft. Das Eintreten für Wälder, Artenvielfalt, Moorschutz wurde unter seiner Führung politisch wirksam.

Vom Naturschutzverein zur Umweltpolitik

Maßgeblich war Weinzierl an der Gründung des Nationalparks Bayerischer Wald im Jahr 1970 beteiligt, des Musterfalls für die inzwischen 16 dieser Parks in Deutschland. Unterstützt wurde er damals unter anderem von dem prominenten Frankfurter Zoodirektor Grzimek, doch es mussten große Widerstände in der Gesellschaft überwunden werden.

Als schmerzlichste Niederlage empfand der damalige BN-Chef den Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals durch das Altmühltal, für ihn eine beispiellose "Zerstörung einer bayerischen Kulturlandschaft".

Vor 15 Jahren: Bayerns Umweltminister Markus Söder mit Hubert Weinzierl (3. u. 4. v. l.) und weiteren Naturschützern vor einem Bürgerwindrad. (Bild: Heinz Wraneschitz/​Bildtext)

Das Erfolgsrezept, den BN zu einer schlagkräftigen, auch politisch wirksamen Organisation umzuformen, war auch das Muster für die bundesweite Ausdehnung als BUND, an dessen Gründung Weinzierl 1975 mitwirkte und den er von 1983 bis 1998 als Vorsitzender leitete. Neben Walderhalt, Naturschutz, Artenvielfalt und Klima spielte dort auch der Kampf für die Energiewende und gegen die Atomkraft eine große Rolle.

Vor allem die Auseinandersetzung um die in den 1980er Jahren in der Oberpfalz geplante atomare Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf (WAA), die teils bürgerkriegsähnlich ablief, prägte Weinzierls Haltung zu dem Thema. Die WAA wurde nicht gebaut.

Der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) bescheinigte Weinzierl einmal, er stehe für die "Integration von klassischem Naturschutz und moderner Umweltpolitik". Weinzierl, dessen Vater für die CSU im Bundestag war, gehörte denn auch nie einer politischen Partei an. Die Erhaltung der Natur, meinte er, betreffe alle Menschen gleichermaßen.

So würdigte ihn nun auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder als Instanz, die den Umweltschutz geprägt habe. "Der erste deutsche Nationalpark im Bayerischen Wald ist maßgeblich auch sein Verdienst, ein Vorzeigeprojekt von unschätzbarem Wert für ganz Bayern", befand der CSU-Politiker. Weinzierl habe "nicht im Hier und Jetzt, sondern in Generationen" gedacht.

 

Bis zu seinem Tod lebte Weinzierl mit seiner Frau Beate in Wiesenfelden bei Straubing im Bayerischen Wald, wo beide ein Naturschutz-Bildungszentrum betrieben. Trotz einer Erblindung seit 2011 blieb er bis ins hohe Alter eine kritische Stimme, wobei er sich allerdings auch mit seinen früheren Mitstreitern aus dem BN überwarf – etwa durch seine Ablehnung eines starken Windkraft-Ausbaus.

In seinem letzten Interview mit der Süddeutschen Zeitung äußerte er sich 2019 enttäuscht über Versäumnisse im Artenschutz und in der Klimapolitik. "Die ungeheuren Verluste machen mich sehr traurig." Einmal bekannte er: "Inzwischen denke ich manchmal, die Menschheit ist einfach zu borniert dafür, dass sie die Umkehr schafft." Er werde sich damit aber nicht abfinden.

Für sein lebenslanges Engagement ist Weinzierl mehrfach geehrt worden, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz, dem Bayerischen Verdienstorden und dem Deutschen Umweltpreis.

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