Das Ziel einer Verdopplung im Bahnverkehr wird aufgegeben, lieber sollen weiter neue Autobahnen gebaut werden. (Bild: Jelle van der Wolf/​Shutterstock)

Eine neue "Fortschrittskoalition"? Es ist gut, den Mund am Anfang nicht allzu voll zu nehmen, anders als die Ampel-Bundesregierung vor drei Jahren.

Trotzdem: Die künftige, eher kleine "Groko" unter Friedrich Merz hätte dringend mehr Power gebraucht, gerade auch beim zentralen Zukunftsthema Klimaschutz und Energiewende.

Denn der Kernsatz dazu liest sich zwar nicht schlecht: "Dafür setzen wir das Pariser Klimaabkommen um und verfolgen das Ziel der Klimaneutralität 2045 in Deutschland mit einem Ansatz, der Klimaschutz, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und soziale Ausgewogenheit zusammenbringt und auf Innovationen setzt."

Nur: Der vorgelegte Koalitionsvertrag liefert dafür nicht die nötigen Instrumente, ja, zum Teil ist er sogar rückschrittlich.

Das Festhalten am Weltklimavertrag und an der Netto-Null bei den Treibhausgasen bis 2045 ist eine klare Vorgabe. Es bedeutet, dass die künftige Regierung die Anstrengungen zur CO2-Einsparung gegenüber der bisherigen, seit 1990 betriebenen Klimapolitik verdoppeln muss.

Die Merz-Koalition müsste dafür die Weichen stellen, besonders in den Sektoren, die bisher kaum zum Klimaschutz beigetragen haben: Gebäude und Verkehr. Der große Wurf aber ist hier nicht erkennbar, eher droht Verunsicherung, wie beim Heizungsgesetz, das "abgeschafft" werden soll. Von einer echten Verkehrswende gar nicht zu reden.

Verschärft wird das Ganze dadurch, dass es schon wieder kein sozial positiv wirkendes "Klimageld" zum Ausgleich der steigenden CO2-Kosten geben wird, sondern eine unnötig teure, nicht zielgerichtete Senkung der Strompreise.

Immerhin: Die neue Koalition bekennt sich zu einem weiteren schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor und beerdigt die von der Union gepushte Idee, die sechs zuletzt stillgelegten, schon teilweise zurückgebauten Atomkraftwerke wieder ans Netz zu nehmen. Das ist gut so. Die nukleare Renaissance hätte einen zweistelligen Milliardenbetrag gekostet und inflexible Kraftwerke wieder ans Netz gebracht, die nicht zu einem von den Erneuerbaren geprägten Stromsystem passen.

Noch keine Sicherheit für Hausbesitzer:innen

Kontraproduktiv aber ist, dass die künftige Regierung die zu bauenden Backup-Kraftwerke offenbar länger mit Erdgas laufen lassen will als bisher geplant – weswegen sie an die CO2-Endlagerung per CCS angeschlossen werden sollen – und sogar offen dafür ist, den Stromnetzausbau zu bremsen.

Beides verlängert die Abhängigkeit von fossilen Energien unnötig, mit der Deutschland ja nun wirklich genug schlechte Erfahrungen gemacht hat, ob mit Erdöl-Krisen, Abhängigkeit von russischem Erdgas oder Trumpscher LNG-Erpressung.

Diese Erfahrungen hätten gerade auch beim Heizen und beim Autofahren eine klare Umbau-Blaupause erfordert. Die aber fehlt.

Was genau an die Stelle von Habecks Heizungsgesetz treten soll, ist unklar, ebenso, wie die Förderung von Heizungstausch und Gebäudesanierung aussehen soll. Hier braucht es schnell Klarheit, sonst brechen die Energiewende-Ambitionen der Hausbesitzer:innen weiter ein und das CO2-Ziel des Sektors gerät in weite Ferne.

 

In der Verkehrspolitik ist nur die geplante Fortführung des Deutschlandtickets ein Lichtblick. Denn während die Vorgängerregierungen noch eine Verdopplung der Nutzungszahlen bei der Bahn bis 2030 anpeilten, ist bei Merz und Co davon keine Rede mehr, obwohl das 500-Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur und Klima hier Spielräume schafft.

Viel Geld wird nach den Plänen der Groko Merz in spe weiter in den anachronistischen Fernstraßenneubau fließen. Dazu passt, dass die Koalitionäre die europäischen CO2-Grenzwerte für Pkw aufweichen wollen, um Verbrenner länger laufen zu lassen.

Dass die Merz-Groko dann auch noch plant, die eigenen Klimaziele durch Anrechnung fragwürdiger Projekte zur CO2-Reduktion im Ausland aufzuhübschen, spricht Bände. Das hat nun wirklich nichts mit einer Fortschrittskoalition zu tun.