Gerade noch hat Carsten Schneider Wachstum und Standortpolitik versprochen, nun soll er sich als Minister um Klimaschutz und ökologische Schadensbegrenzung kümmern. (Bild: Steffen Prößdorf/​Wikimedia Commons)

Gut einen Monat ist die schwarz-rote Bundesregierung im Amt und hat schon einige Schlagzeilen produziert. Der Kanzler reiste durch die Welt, diese Ministerin will einen Realitätscheck bei der Energiewende, jene Ressortchefin auch Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen lassen.

Über das, was Carsten Schneider, der neue Umwelt- und Klimaminister, mit seinem Ressort konkret gegen die Klimakrise tun will, ist bisher nicht viel zu erfahren – genau genommen: so gut wie gar nichts. 

Die öffentlichen Äußerungen des SPD-Ministers beschränken sich beim Klima bislang weitgehend darauf, in Variationen den Inhalt des Koalitionsvertrages wiederzugeben. Deutschland werde an den nationalen und globalen Klimazielen festhalten und die Regierung wolle auch weiterhin die Klimaneutralität 2045, sagt Schneider ein ums andere Mal.

Das ist schon enttäuschend. Denn anders als seine grüne Vorgängerin Steffi Lemke, die – weitgehend entmachtet – nur für den natürlichen Klimaschutz zuständig war, hat Schneider die ganze Agenda wieder in seinem Ministerium konzentriert. Das gibt ihm größere Handlungsmöglichkeiten, aber auch mehr Verantwortung für ein Scheitern.

Letzte Woche hätte der Minister zwei gute Gelegenheiten gehabt, deutlicher darüber zu sprechen, wie er einer der größten Weltkrisen beizukommen gedenkt – beim Kongress des Energiebranchenverbandes BDEW sowie bei einer von den Grünen beantragten Aktuellen Stunde im Bundestag zum Thema Klimakrise.

Beim BDEW kündigte der Minister sogar auch "grundsätzliche Ausführungen" zur Klimapolitik an. Grundsätzlich bekannte er sich aber zunächst einmal zur Verantwortung der Bundesregierung für einen "Wachstumskurs" in Deutschland.

Schneider begrüßte ausdrücklich den schwarz-roten "Investitionsbooster". Die Super-Sonderabschreibungen sollten die Wirtschaft ankurbeln und Deutschland wieder auf Wachstumskurs bringen, sagte er. In dem Tonfall ging es weiter: Man werde das Wirtschaftswachstum stärken – über ein Prozent müsse sein – und eine "klare Wachstumsagenda" verfolgen.

So viel Wachstumsrhetorik hätte jedem Wirtschaftsminister zur Ehre gereicht. Den früheren Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland ist Schneider noch nicht losgeworden. Mit dem Klimathema fremdelt er sichtlich noch.

Zwei halbe Neuigkeiten

Klimapolitisch verkündete Schneider, beide Auftritte zusammengenommen, zwei halbe Neuigkeiten. Die eine: Deutschland setze sich dafür ein, dass die EU bis zur UN-Generalversammlung im September ein verpflichtendes Klimaziel vorlegt, das die Einhaltung des 1,5-Grad-Limits ermöglichen soll. Bekanntlich gibt Deutschland im Rahmen des Paris-Abkommens kein eigenes Klimaziel an – das sogenannte NDC –, sondern dafür ist die EU zuständig.

Die andere halbe Neuigkeit von Schneider: Sein Haus sei gerade bei den Vorbereitungen, um ein neues Klimaschutzsofortprogramm auf den Weg zu bringen.

Über konkrete Vorhaben in diesem Zusammenhang sprach der neue Klimaminister nicht. Er erklärte beim BDEW nur, wie wichtig ihm ein Ausgleich für Leute sei, die am 25. des Monats nichts mehr auf dem Konto hätten.

Wie ein wirksamer Ausgleich für Klimaschutzmaßnahmen aussehen könnte, wird seit Langem diskutiert, doch über solche Details verlor Schneider kein Wort. Zu hören war beim BDEW nur sein Versprechen, er werde "sehr genau" darauf achten, dass Haushalte in eine Wärmepumpe oder ein E‑Auto investieren können, ohne "horrende" Preise zu zahlen.

Im Bundestag lautete die entsprechende Passage so: Auch Menschen mit normalem Einkommen müssten in der Lage sein, Förderung für eine Wärmepumpe oder ein Elektroauto zu bekommen.

Bei beiden Gelegenheiten schmückte Schneider seine Reden übrigens mit den ausgleichenden Maßnahmen, die noch von der Ampel beschlossen worden sind: die Abschaffung der EEG-Umlage, die Einführung des Deutschlandtickets und die bis zu 70-prozentige Förderung des Heizungsaustauschs. Im Bundestag erwähnte er immerhin noch, dass all das die im Saal sitzenden Grünen mitbeschlossen hätten.

Da fragt man sich schon, ob so ein Minister nicht auch mal mit einer eigenen Idee – von ihm selbst oder aus seinem Haus, ist ja egal – um die Ecke kommen könnte.

 

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ein Satz, den Schneider beim BDEW-Kongress äußerte, klang nach einer Art Widerspruch gegen die dort versammelte traditionelle wie mächtige Energiewirtschaft: Er wolle keinen Stopp des Erneuerbaren-Ausbaus, nur weil bestimmte Netze noch nicht da sind, erklärte Schneider.

In der Branche herrscht inzwischen die Ansicht vor, die erneuerbaren Energien besser nur noch in dem Maße auszubauen, wie bereits genügend Netz vorhanden ist. Das läuft teilweise auf einen veritablen Ausbaustopp für die Erneuerbaren hinaus.

Derzeit ist Schneider auf der Ozeankonferenz in Nizza. Internationale Auftritte mögen deutsche Klimaminister:innen seit jeher. Da lassen sich ein paar Geldschatullen öffnen und schöne multilaterale Beschlüsse fassen, die zu weniger als nichts verpflichten. Nach lästigem sozialen Ausgleich und konkreter Klimapolitik fragt dort niemand.