Von allen deutschen LNG-Terminals hat das in Wilhelmshaven noch am meisten zu tun. Auch dort ist man zwar weit von der Kapazitätsgrenze entfernt, aber die schwimmenden Terminals in Brunsbüttel und Mukran sind deutlich weniger ausgelastet.

Ist ein LNG-Tanker angekommen, wird das Flüssigerdgas in die Tanks des Terminals gepumpt. Das Volumen von Erdgas ist in seiner flüssigen Form 600-mal geringer als im gasförmigen Aggregatzustand. Dafür muss es allerdings auf minus 162 Grad abgekühlt werden.

 

Bevor das Gas ins Netz eingespeist werden kann, muss es erwärmt und regasifiziert, also wieder in den gasförmigen Zustand umgewandelt werden.

Insgesamt kam letztes Jahr nur halb so viel Flüssigerdgas in Deutschland an wie von der Bundesregierung in Aussicht gestellt. Die endgültigen Zahlen für 2024 liegen selbstredend noch nicht vor, aber sie dürften kaum höher sein.

Schon im Frühjahr 2023 warnte das New Climate Institute vor einer Überdimensionierung der LNG-Infrastruktur. Die Gas-Importe aus Nachbarländern könnten voraussichtlich auch in Zukunft den ohnehin sinkenden Bedarf decken, heißt es in einer Analyse des Forschungsinstituts mit Sitz in Köln.

Ein zuvor veröffentlichter Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums – mit dem der Bau der Terminals begründet wurde – habe viel zu niedrige Zahlen für die zukünftigen Pipeline-Importe angenommen und gleichzeitig Kapazitäten einzelner LNG-Terminals geringer angeben, als technisch möglich sei.

Über 700 LNG-Tanker sind auf den Weltmeeren unterwegs. Die größten haben ein Tankvolumen von bis zu 266.000 Kubikmetern. (Bild: Gordon Leggett/​Wikimedia Commons)

Neben den drei Terminals, die bereits in Betrieb sind, befinden sich vier weitere im Bau und fünf im konkreten Planungsstadium.

Die gegenwärtige Gesamtkapazität der LNG-Terminals liegt irgendwo zwischen zehn und 13 Milliarden Kubikmetern Gas pro Jahr. Mit allen geplanten Terminals könnte sie in den nächsten Jahren auf über 70 Milliarden Kubikmeter ansteigen. Das entspricht fast 100 Prozent des deutschen Bedarfs.

Zwar sei die Energiesicherheit staatliche wie private Planungsaufgabe und Überkapazitäten könnten grundsätzlich sinnvoll sein, erklärte Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Das gelte allerdings "nicht für die Versorgung Deutschlands mit importiertem fossilen Flüssigerdgas zu Zeiten der Energiewende, insgesamt rückläufiger Nachfrage und nicht vorhandener Transportengpässe in den Leitungen".

Alles andere als klimafreundlich

Auch Umweltverbände warnen seit Beginn des deutschen LNG-Hungers vor neuen fossilen Abhängigkeiten, die wiederum Investitionen in die Energiewende blockieren könnten.

Tatsächlich ist Flüssigerdgas kaum klimafreundlicher als Kohle. Zwar entsteht laut dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) bei der Verbrennung von LNG mit 240 Kilogramm CO2 je Megawattstunde deutlich weniger CO2 als zum Beispiel bei Braunkohle – 380 Kilogramm CO2 je Megawattstunde –, doch ist das nur ein Teil der Wahrheit.

Das Treibhausgas Methan ist auf 20 Jahre gerechnet rund 80-mal klimaschädlicher als CO2. Und aus eben diesem Treibhausgas besteht Erdgas fast vollständig.

Bei der Förderung und dem Transport entweicht ein Teil des Gases in die Atmosphäre. Wie hoch die Verluste sind, dazu gibt es verschiedene Annahmen. Da sich Methan wesentlich schneller abbaut als CO2, beeinflusst auch der betrachtete Zeitraum die Ergebnisse stark. Laut manchen Studien ist Flüssigerdgas deshalb etwas klimaschonender als Kohle, andere kommen zu dem Ergebnis, dass LNG klimaschädlicher ist.

Unumstritten ist aber: Erdgas ist alles andere als klimafreundlich. Das gilt ganz besonders für Flüssigerdgas. Nicht nur muss das Gas energieaufwendig heruntergekühlt, verflüssigt und schließlich wieder erwärmt und regasifiziert werden. Es wird auch mit riesigen Tankern, von denen die meisten noch mit Schweröl betrieben werden, kreuz und quer über die Weltmeere transportiert.

Deutschland bezieht zudem den Großteil seines LNG aus den USA. Dort wird das Gas vor allem mithilfe der Fracking-Methode gefördert. Dabei wird mit hohem Druck Flüssigkeit ins Gestein gepresst, um Risse zu erzeugen und das Gas freizusetzen.

Das birgt nicht nur vielfältige Umweltgefahren, sondern führt auch zu besonders hohen Methanemissionen.

Wie die Internationale Energieagentur IEA in ihrem Netto-Null-Szenario bereits 2022 gezeigt hat, ist die gegenwärtige weltweite LNG-Infrastruktur ausreichend, um den Bedarf zu decken, der für eine mit dem 1,5-Grad-Ziel kompatible Zukunft erlaubt wäre. Auch dieses Jahr betonte die Agentur erneut, dass keine neuen Gasfelder und Gasinfrastruktur hinzukommen sollten.

Über 150 neue LNG-Terminals in Planung

Doch genau das passiert, wie eine Analyse der französischen Nichtregierungsorganisation Reclaim Finance aufzeigt. Weltweit sind demnach bis 2030 über 150 neue Ex- und Importterminals geplant.

Durch die 63 neuen Exportterminals könnte bei gleichbleibender Auslastung bis Ende des Jahrzehnts eine Menge an LNG fließen, die entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette zehn Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent produziert. Das ist in etwa dieselbe Größenordnung, die alle Kohlekraftwerke weltweit jährlich freisetzen.

Zwischen 2021 und 2023 sind in dem Sektor 213 Milliarden US-Dollar von Banken und Investoren geflossen. Deutsche Finanzinstitute hatten daran einen Anteil von 7,6 Milliarden Dollar.

Ganz oben dabei sind laut der Analyse die Deutsche Bank (3,9 Milliarden Dollar) und die Landesbank Baden-Württemberg (eine Milliarde). Mit DWS und Allianz gibt es außerdem große Investoren, die den LNG-Ausbau mit 1,7 respektive 2,7 Milliarden Dollar finanzierten.

"Die Banken geben vor, die Öl- und Gasunternehmen bei der Transformation zu unterstützen, aber stattdessen investieren sie Milliarden von Dollar in zukünftige Klimabomben", sagte Mitautorin Justine Duclos Gonda von Reclaim Finance zu den Ergebnissen. "LNG ist ein fossiler Brennstoff, und neue Projekte für fossile Brennstoffe dürfen bei einer Transformation zur Nachhaltigkeit keine Rolle spielen."

Obwohl die Deutsche Bank, der zu ihr gehörende Vermögensverwalter DWS und die Versicherung Allianz sich dazu verpflichtet haben, ihre Geschäfte 1,5-Grad-kompatibel auszurichten, hat keine der drei Finanzinstitutionen LNG-Regeln verabschiedet. Deutsche Bank und DWS haben sich überhaupt keine Regeln für Investitionen in Öl und Gas gegeben.

Die Deutsche Bank teilt dazu auf Nachfrage lediglich mit, dass sie ihre Kunden zu nachhaltigeren und klimaneutralen Geschäftsmodellen begleiten wolle. Außerdem habe sie seit 2016 ihr Engagement in CO2-intensiven Sektoren deutlich reduziert und berichte transparent über "finanzierte Emissionen".

Reclaim Finance fordert deshalb von Banken und Investoren, die Finanzierung neuer LNG-Projekte zu beenden und auch ihr Portfolio dementsprechend auszurichten.

Auf die Frage, ob eine derartige Strategie in Planung sei, wollte die Deutsche Bank nicht antworten.

Was bedeutet "H2-ready"?

Als Erklärung für die in Deutschland geplanten Überkapazitäten geistert von Beginn an die Floskel "H2-ready" herum, in die Welt gesetzt vom Bundeswirtschaftsministerium. Gemeint ist damit: Über die Terminals sollen in der Zukunft grüner Wasserstoff oder Wasserstoff-Derivate wie Ammoniak importiert werden.

Wie das konkret aussehen soll, ist bis heute unklar. Die Umstellung auf Wasserstoff selbst, auch in flüssiger Form, dürfte nur mit aufwendigen Umbauten möglich sein und wäre in jedem Fall extrem ineffizient.

Auch eine Umrüstung auf Ammoniak ist schwierig, die Prozesse sind ineffizient und bei der Verbrennung entsteht unter anderem Lachgas – ein noch potenteres Treibhausgas als Methan.

Man könnte den Wasserstoff auch in Methan umwandeln und hätte dann ein Produkt, dass sich chemisch von Erdgas nicht unterscheidet. Für dieses sogenannte E‑Methan könnte also die LNG-Infrastruktur verwendet werden.

Allerdings wird für die Herstellung CO2 benötigt, das dann bei der Verbrennung auch wieder freigesetzt wird. Klimaneutral wäre die Sache nur dann, wenn dieses CO2 zum Beispiel zuvor mittels Direct Air Capture aus der Luft entnommen wird.

Das ist nicht nur energieintensiv und teuer, alle 1,5-Grad-Klimaszenarien beruhen ohnehin auf einer großflächigen Anwendung technischer CO2-Entnahmen – aber ohne dass das Treibhausgas im Anschluss wieder in die Atmosphäre gelangt.

 

Wenn Deutschland – wie viele andere Länder – weiterhin auf den geplanten Ausbau der LNG-Infrastruktur setzt, scheint es gegenwärtig zwei Möglichkeiten zu geben.

Entweder wird das Energiesystem zukünftig von einer unnötig großen Menge ineffizienter Wasserstoff-Derivate mit fragwürdiger Klimawirkung dominiert. Oder es werden jede Menge Terminals sinnlos herumstehen, weil sie aufgrund einer erfolgreichen Elektrifizierung der allermeisten Sektoren niemand mehr braucht.

Und dann gibt es natürlich auch noch Möglichkeit drei: Es wird – auch auf Druck der Betreiber der LNG-Infrastruktur – der fossile Ausstieg doch um die ein oder andere Dekade nach hinten verschoben.

Redaktioneller Hinweis: Energieökonomin Claudia Kemfert ist Mitglied im Herausgeberrat von Klimareporter°.