Bundeskanzlerin Angela Merkel hält eine Rede im Bundestag, im Hintergrund ihr Kabinett.
Im vergangenen September kündigte Angela Merkel im Bundestag einen "gewaltigen Kraftakt" ihres Klimakabinetts an. (Foto: Steffen Kugler/​Bundesregierung)

Angela Merkel hat es schon wieder getan. In ihrer nunmehr 15. Neujahrsansprache hat die Bundeskanzlerin die Klimakrise erneut zum Thema gemacht. Die Erwärmung des Planeten sei real und bedrohlich. Weil Menschen die steigenden Treibhausgasemissionen verursachten, müsse alles Menschenmögliche unternommen werden, um die Krise zu bewältigen.

Sie selbst, so Merkel, sei in einem Alter, in dem sie die meisten Folgen des Klimawandels nicht mehr erleben werde. Unsere Kinder und Enkel müssen mit den Folgen davon leben, was wir heute tun oder lassen, mahnte Merkel die Deutschen und versprach, ihre ganze Kraft dafür einsetzen zu wollen, dass Deutschland seinen Beitrag leistet, den Klimawandel in den Griff zu bekommen.

Die Aussagen sind bemerkenswert – regiert doch Angela Merkel seit 2005. In jenem Jahr stieß Deutschland 993 Millionen Tonnen CO2 aus. 

Doch statt Fahrt aufzunehmen, kommen die Energiewende und der Ausbau erneuerbarer Energien hierzulande immer langsamer voran. Die fossile Energiewirtschaft darf ihre klimaschädlichen Anlagen noch jahrelang weiter betreiben, dabei ist ein zügiger Kohleausstieg eine einfache und sehr effektive Maßnahme, um die Emissionen zu senken. Mit der "Sicherheitsbereitschaft" versüßt die Regierung den Betreibern das vorzeitige Aus ihrer Kraftwerke und verhandelt gegenwärtig über weitere Entschädigungen für RWE und Co.

Es kommt aber noch schlimmer: Die Verkehrspolitik deckt sich mehr oder minder mit den Interessen der Autolobby. Das Fahren mit der Bahn oder dem Fahrrad zu privilegieren war jahrzehntelang kein Thema, mit dem Politiker punkten konnten.

Und so lag denn auch der CO2-Ausstoß von Deutschland im Jahr 2018 noch immer bei 866 Millionen Tonnen. Dass die Emissionen in 13 Jahren gerade einmal um 127 Millionen Tonnen sanken, liegt vor allem an der fehlenden Bereitschaft zu mutiger Klimapolitik.

Es war tatsächlich nicht das erste Mal, dass die Bundeskanzlerin in ihrer Neujahrsansprache über das Klima sprach – sie tat es schon häufiger. Im vergangenen Jahr bezeichnete Merkel die "Schicksalsfrage des Klimawandels" gar als die Herausforderung unserer Zeit.

Große Worte, kleine Schritte

Eine Richtschnur für die Politik des dann folgenden Jahres war die Rede indes nicht. Zwar verkündete die Bundesregierung im vergangenen März die Bildung des Klimakabinetts, doch der Minister-Ausschuss brauchte mehrere Monate, um sich auf Maßnahmen für den Klimaschutz zu einigen.

Merkel selbst hatte die Latte hoch angesetzt. Es dürfe kein "Pillepalle" mehr geben, sondern Beschlüsse, die zu "disruptiven" Veränderungen führen, hatte die Bundeskanzlerin ihren Fraktionskollegen von CDU und CSU zu verstehen gegeben.

Nur wurde das klimapolitische Reformpaket, das die Groko dann zustande brachte, dem Anspruch nicht gerecht. Das Paket sei nicht mehr als ein Päckchen, unkten Kritiker. In den sozialen Medien trendete der Hashtag #notmyklimapaket.

Zur Verteidigung des Gesetzespakets sagte Merkel: "Politik ist das, was möglich ist."

Zum Glück haben die Länder über den Bundesrat dafür gesorgt, dass das Klimapaket zumindest ein bisschen ehrgeiziger wird.

Wenn Merkel nun fordert, alles Menschenmögliche zu unternehmen, um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten, dann ist das kein Signal für eine Kehrtwende bei der Klimapolitik, sondern für ein Weiter-so wie in den vergangenen Jahren. Auch wenn die Bundeskanzlerin noch so sehr proklamiert, für mehr Klimaschutz einstehen zu wollen – die Minister und Ministerinnen für Energie, Verkehr, Bau und Landwirtschaft haben andere Prioritäten.

Nur: Die Zeit rennt uns davon. Die Weichen für den Temperaturanstieg der nächsten Jahrzehnte werden jetzt, im Jahr 2020, gestellt. Und dafür braucht es weitaus mehr als Merkels Menschenmögliches.

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