Das hatten sich die Spindoktoren der SPD fein ausgedacht: eine kleine mediale Offensive bei Energiewende und Klimaschutz. Da traute sich die Bundesumweltministerin mit dem SPD-Parteibuch vor ein paar Tagen doch wirklich, den Kohlekonzern RWE dezent aufzufordern, den Hambacher Wald nicht zu roden, solange die Kohlekommission tagt.
Dann knöpfte sich Svenja Schulze per Interview das CSU-geführte Verkehrsministerium vor. Das müsse nun endlich klimapolitisch liefern, forderte Schulze und lobte ihre Partei, die SPD, weil diese im Koalitionsvertrag das Klimaschutzgesetz verankert habe. Zum ersten Mal zeigte Schulze so etwas wie eigenes Profil und punktete bei den Umweltbewegten.
Parteichefin Andrea Nahles ihrerseits wirft nun in einem bekannten Nachrichtenmagazin den Grünen vor, durch das staatliche Abschalten von Kohlekraftwerken Klimaschutz zu betreiben, ohne sich um die Menschen vor Ort zu kümmern. Ein Kohle-Ausstieg müsse zwar sein, aber für eine, so Nahles wörtlich, "Blutgrätsche gegen die Braunkohle" stehe die SPD nicht zur Verfügung – Kumpelherz, was willst du mehr?
Leider findet sich bei den politgrätschenden Nahles und Schulze nicht der leiseste Anflug von Selbstkritik. Svenja Schulze spricht ständig davon, "wir" hätten in den letzten zwanzig Jahren beim Klimaschutz viel zu wenig getan. Nein, so billig kommt uns die SPD da nicht weg.
Wer hat denn im Bund und in den beiden wichtigsten Kohleländern Nordrhein-Westfalen und Brandenburg die meiste Zeit der letzten zwanzig Jahre regiert oder mitregiert? Richtig ... Die jahrzehntelange, man kann es kaum anders nennen, Anti-Klima-Politik der SPD war die wirkliche Blutgrätsche gegen die Braunkohle. Von der Kohle wurden alle Zumutungen ferngehalten. Im ersten Halbjahr 2018 konnte die Braunkohle ihren Anteil am Strommarkt sogar noch ausbauen – vor allem zulasten des Erdgases.
Und in Wahrheit hat sich bei der SPD auch nichts geändert: Zur finalen Blutgrätsche gegen den Klimaschutz holt heute Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke aus. Ein schneller Kohleausstieg würde die AfD weiter stärken, greift Woidke eine Argumentation auf, die zuvor höchstens hinter vorgehaltener Hand kolportiert, aber nie politisch eingesetzt wurde.
Nahles und Woidke schwächen Schulzes Position
Aus Angst vor den Rechten ist Woidke inzwischen offenbar zum politischen Harakiri bereit. Denn den Kohleausstieg weiter hinauszuzögern setzt genau die Politik fort, die uns die heutige vertrackte Lage eingebrockt hat. Gerade wegen der jahrelangen klimapolitischen Blockade auch durch die SPD – und nicht wegen der Grünen – spitzt sich die Frage, wie Deutschland seine Klimaziele noch erreichen kann, im Moment auf die besonders CO2-intensive Braunkohle zu. Hier sollte sich die SPD mal ehrlich machen. Dann wird die von ihr angestrebte Doppelrolle als Kümmerer der Kumpel und der Umweltbewegten möglicherweise glaubwürdig.
Im Moment fallen Nahles und Woidke mit ihren Blutgrätschen der eigenen Umweltministerin nur in den Rücken und schwächen deren Position in der Kohlekommission, für die die SPD als Spitzenvertreter ohnehin nur den Ruhestandspolitiker Matthias Platzeck übrig hatte.
Wenn Nahles mit Energiewende und Klimaschutz nicht so viel am Hut hat, könnten ihr ihre Konzeptmacher mal aufschreiben, dass selbst in Südbrandenburg – gewissermaßen im Herzen des Lausitzer Reviers – nur noch drei Prozent der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in der Braunkohle selbst zu finden sind. Und dass man dort, in der Region, die Kohle weniger als "Brücke", sondern inzwischen eher als Bremser für eine andere wirtschaftliche Zukunft empfindet.
Diese SPD ist klimapolitisch nicht auf der Höhe der Zeit. Da sollten die Spindoktoren nochmal nachsitzen.