Das sogenannte "Deutschland-Tempo", mit dem bisher die Flüssiggas-Terminals zum Schwimmen gebracht wurden, ist diese Woche ausgebremst worden – ein wenig jedenfalls und von einem Gremium, das man beim LNG noch gar nicht auf dem Schirm hatte: dem Haushaltsausschuss des Bundestages.
Bereits Mitte März hatte das Bundesfinanzministerium beim Ausschuss beantragt, mehr als 3,1 Milliarden Euro für den weiteren Ausbau und den Betrieb schwimmender Flüssigerdgas-Terminals freizugeben. Floating Storage and Regasification Unit (FSRU) ist der Fachbegriff für diese Spezialschiffe.
Von den 3,1 Milliarden genehmigte der Haushaltsausschuss am Mittwoch nur gut die Hälfte, etwas mehr als 1,6 Milliarden Euro. Weitere Ausgaben von 1,5 Milliarden Euro ließen die Abgeordneten vorerst gesperrt und legten damit im Wesentlichen das von RWE geplante Riesenterminal vor der Ostseeinsel Rügen auf Eis.
Die freigegebenen 1,6 Milliarden waren nach den vorliegenden Informationen eigentlich für das schwimmende LNG-Terminal in Hamburg vorgesehen. Dieses aber, räumt das Finanzministerium in seinem Schreiben an den Ausschuss ein, werde aufgrund technischer Schwierigkeiten nicht realisiert.
Die Mittel für Hamburg werden nun aber nicht "eingespart", sondern mit den Geldern werden – wie die Unterlagen zeigen – de facto die steigenden Kosten für Bau und Betrieb der vier verbleibenden FSRU gedeckt, also für Brunsbüttel, Stade sowie Wilhelmshaven I und II.
"Deutschland-Tempo" bindet künftige Regierungen
Insgesamt sind aus dem Bundeshaushalt für die nunmehr vier schwimmenden Terminals schon rund 8,2 Milliarden Euro bereitgestellt worden. Das Schreiben des Finanzministeriums legt dabei nahe, dass die Kosten weiter steigen werden.
Das Deutschland-Tempo beim Flüssigerdgas ist offenbar nicht nur mit viel Geld erkauft, sondern bindet auch schon künftige Regierungen. Ein Teil der acht Milliarden sind sogenannte Verpflichtungsermächtigungen. Damit schreiben die Haushälter Ausgaben für künftige Jahre fest, über die sie eigentlich noch nicht bestimmen können. Einige dieser Verpflichtungen für die vier FSRU reichen schon bis ins Jahr 2032, geht aus den Unterlagen hervor.
Über diese rasante Entwicklung zeigt sich der Haushaltsausschuss wenig erfreut. Staatliche Mittel müssten "effizient und zielgerichtet" verwendet werden, wird im Beschluss des Gremiums angemahnt. Auch gelte es, den Aufbau der LNG-Infrastruktur zusammen mit der EU-Kommission so zu koordinieren, dass europaweite Überkapazitäten verhindert werden.
Letztlich gab der Ausschuss die Mittel für die vier bestehenden FSRU-Projekte frei, nicht aber die für das RWE-Riesenterminal vor Rügen, ausgenommen die Planungskosten für die Pipeline vom Terminal zur Küste. Neues Geld für das Rügen-Projekt werde es nur geben, wenn die Planungen gründlich geprüft werden, machten die Haushälter klar. Dabei seien die lokalen Interessen und Einwände einzubeziehen, fordert der Ausschuss.
Es seien noch viele kritische Fragen zum LNG-Standort Rügen zu klären, findet auch Sven-Christian Kindler von der Grünen-Fraktion. Für den haushaltspolitischen Sprecher geht es dabei nicht nur um die Kosten und die Auswirkungen auf den Naturraum Ostsee, sondern auch um die generelle Notwendigkeit. Das alles müsse umfassend geprüft werden.
"Klimastresstest" für alle LNG-Projekte gefordert
Aus Kindlers Sicht dient die Planung der LNG-Infrastruktur der Versorgungssicherheit, es bestehe aber die Gefahr teurer fossiler Überkapazitäten. "Das birgt Risiken für den Bundeshaushalt, aber auch für die Erreichung der Klimaziele", betonte er. Nötig seien eine Begrenzung der Kosten und ein schneller Umstieg auf "grüne" Gasterminals.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bestätigt die Angaben. Der Haushaltsausschuss habe die 1,5 Milliarden Euro für den Bau des RWE-Terminals gesperrt und nur 240 Millionen für die weitere Planung der Anschlusspipeline zur Küste bewilligt, so die DUH. Die Umweltschützer machen auch darauf aufmerksam, dass der Haushaltsausschuss in seinem Beschluss verlangt, das LNG-Terminalschiff Höegh Esperanza in Wilhelmshaven umzurüsten und nicht weiter Chlor-Biozid ins Wattenmeer einzuleiten.
Für DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner ist nicht nur das Terminal vor Rügen unnötig. Längst sei klar, dass die Bundesregierung eine massive LNG-Überkapazität plane, die ein Einhalten der Klimaziele unmöglich mache. "Wir fordern die Bundesregierung auf, das Projekt auf Rügen endgültig abzusagen und alle Projekte einem Klimastresstest zu unterziehen, bevor weiter Fakten geschaffen werden", so Müller-Kraenner.
Aufgrund der anhaltenden Proteste wurde inzwischen auch ein neuer Standort für das Rügen-Terminal ins Spiel gebracht: Statt in Sichtweite der Badeorte im Südosten von Rügen solle das FSRU im Hafen Mukran im Nordosten der Insel installiert werden. Gemeinden im Südosten haben auch diesen Standort bereits abgelehnt.