Großes Kohlekraftwerk mit mehreren dampfenden Kühltürmen und zwei Schornsteinen.
Kohlekraftwerke wie dieses dürfen extrem klimaschädliche Braunkohle noch bis 2038 verstromen. (Foto: Benita Welter/​Pixabay)

"Das darf man nicht laut sagen", verriet kürzlich ein Insider, aber mit Kohle verdiene sein Energiekonzern gerade "richtig gutes Geld". Um 50 Prozent hat der Konzern allein seine Braunkohle-Stromproduktion im ersten Halbjahr 2021 gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesteigert.

Dabei sollte doch der Markt der CO2-Zertifikate regeln, dass klimaschädlicher Kohlestrom sich für die Konzerne bald nicht mehr rechnet. Die Zertifikats-Kosten sind immerhin von 25 Euro im letzten Jahr auf derzeit 60 Euro pro Tonne CO2 gestiegen.

Nun stellt sich aber heraus, dass die Klima-Zocker schon vor Jahren, als die Zertifikatspreise am Boden lagen, im großen Stil Verschmutzungsrechte gehortet haben, um sich gegen steigende CO2-Preise abzusichern – bis zum Ende des Jahrzehnts. Von einer "Glanzleistung der eigenen Tradingabteilung" ist die Rede.

Der viel zitierte regelnde Markt erlaubt nicht nur, dass Konzerne Zertifikate hamstern, um ihre schmutzigen Geschäfte mit der Erderhitzung rentabel zu halten. Er lässt auch zu, dass sie und andere Spekulanten die Zertifikatspreise aktiv hochtreiben, um die billig erworbenen Klimaschädigungsrechte dann teurer zu verkaufen.

Vergleicht man dieses System mit dem Prinzip einer CO2-Steuer, die Preissicherheit und Planungssicherheit bietet, transparent ist und nutzbar zum Ausgleich sozialer Ungleichheiten, fragt man sich, warum letzteres sich nicht durchsetzen konnte.

Sowohl bei der CO2-Steuer als auch beim CO2-Zertifikatehandel müssen die Bürger:innen für klimaschädlichen Konsum zahlen. Doch es ist nicht plausibel, was die Vorzüge desjenigen Systems sein sollen, bei dem weniger für die Allgemeinheit übrigbleibt, weil sich Spekulanten, Broker, Banken und Hedgefonds jeder noch ein Stück vom Kuchen rausnehmen.

Wie Zocker-Schlupflöcher salonfähig gemacht wurden

Rückblende ins Jahr 2019: Fridays for Future ist innerhalb weniger Monate zur erfolgreichsten sozialen Bewegung der Neuzeit geworden und brachte weltweit millionenfach Menschen auf die Straße. Mit der Rückendeckung der Klimawissenschaftler:innen durchdrang die Klimakrise endlich die Medien.

Inspiriert und beflügelt von dieser Kraft trug ein – in der Boomergeneration unbekannter – blauhaariger Influencer die Fakten in einem Video zusammen, das millionenfach geteilt wurde und für kalte Füße in Regierungs- und Konzernkreisen sorgte.

Demonstrationszug der Klimabewegung mit vielen bunten selbstgemalten Schildern in einer recht engen Wiener Straße im Herbst 2019.
Dank Fridays for Future wurden Maßnahmen ergriffen, die das Klima schützen – oder so tun. (Foto: Leonhard Schönstein/​Pixabay)

Wie hilfreich ist es da, wenn PR-Experten fürs eigene Agenda-Setting das Thema entdecken. Die Lobbyorganisation INSM lancierte 2019 eine Kampagne gegen die von Klimaschützer:innen geforderte CO2-Steuer. Sie verbreitete wahrheitswidrige Slogans wie "Emissionshandel garantiert CO2-Reduktion". Das Wort "Steuern" sollte Panik schüren.

Unterdessen fährt der CO2-Ausstoß Achterbahn: Nur wegen der Coronakrise hat Deutschland 2020 mit Ach und Krach die selbst gesteckten Klimaziele erreicht. Jetzt verpufft der Kriseneffekt, der Rückschlag wird stärker als nach der Wirtschaftskrise von 2009. Unser Land steht im Klimawahljahr 2021 vor dem höchsten Anstieg der Treibhausgasemissionen seit 1990.

Mit der 2019er Kampagne wollte die INSM Fridays for Future den Wind aus den Segeln nehmen – oder wie es im PR-Sprech heißt: "die aufgeheizte Klimadebatte in Deutschland versachlichen". Unions- und FDP-Politiker und szenebekannte INSM-Botschafter drehten die Debatte um einen Kohleausstieg bis 2030 in eine andere Richtung: CO2-Steuer oder CO2-Emissionshandel? Das wurde nur etwas suggestiver formuliert: "CO2-Steuer oder CO2-Deckel?" Der Verschmutzungsrechte-Handel wurde irreführend als "CO2-Deckel" bezeichnet.

Zur Erinnerung: Seit seiner Einführung 2005 bewirkt der CO2-Zertifikatehandel alles Mögliche, nicht aber zwingend die Verteuerung von klimaschädlicher Stromproduktion: Zunächst mussten alle, auch Ökostromversorger wie die Elektrizitätswerke Schönau (EWS), dafür bezahlen, dass Energiekonzerne Zertifikate geschenkt bekamen, den Wert jedoch auf den Preis für ihren Strom aufschlugen – und sich in der Folge die Großhandels-Strompreise erhöhten.

EWS

Der CO2-Zertifikatepreis stieg schon mehrfach über das Niveau von 2020 und brach dann wieder ein: erst im April 2006 mit Bekanntwerden des Überangebots, abermals im Herbst 2008 infolge der Finanzkrise. Immer wieder wurde der Zertifikatepreis zum Spielball, wenn sich Broker mit Verschmutzungsrechten verzockten oder Karussell-Geschäfte und ähnliche kriminelle Aktivitäten gegebenenfalls bis auf den Großhandels-Strompreis durchschlugen.

Nun fliegt der "CO2-Deckel" besonders hoch vom Topf. Der steigende CO2-Ausstoß wirft Deutschland noch hinter das 2020er-Klimaziel zurück. Zum Nutzen des Kohlekonzerns und anderer Spekulanten auf dem Markt, die damit satte Profite einfahren – auf Kosten der Allgemeinheit.

Dieser Beitrag wurde nicht von der Redaktion erstellt. Er ist in Kooperation mit der Energieexpertin Eva Stegen und den Elektrizitätswerken Schönau (EWS) in der Rubrik Advertorials erschienen.