Die Aidanova liegt vor den Bauhallen der Meyer Werft.
Die "Aidanova" wurde in der Papenburger Meyer-Werft gebaut. Das Kreuzfahrtschiff fährt als erstes seiner Branche vollständig mit Flüssigerdgas. (Foto: Wessel Blokzijl/​Flickr)

Die Welt blickt auf das beschauliche Papenburg, wenn ein strahlend weißes Kreuzfahrtschiff die Bauhallen der Meyer-Werft verlässt. Die in der Kleinstadt im Emsland entstehenden Ozeanriesen sind mehr als nur Hotels auf See. In die Schiffe werden Träume und neuerdings auch Hoffnungen projiziert – Hoffnungen auf eine Energiewende in der Schifffahrt.

Denn die im vergangenen Dezember in Papenburg gebaute "Aidanova" ist das erste Kreuzfahrtschiff weltweit, das vollständig mit Flüssigerdgas betrieben wird. Und sie ist das erste Kreuzfahrtschiff, das mit dem Umweltzeichen "Blauer Engel" ausgezeichnet wird – ein Siegel des Bundesumweltministeriums.

Die Kreuzfahrtbranche boomt und verzeichnet so viele Passagiere wie nie zuvor. Allein in Deutschland buchten 2,23 Millionen Menschen einen Ozeantrip, ein Anstieg um drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Und das, obwohl die Schifffahrt mit zunehmenden CO2-Emissionen das Klima belastet. Denn während viele Branchen von stärkeren Umweltauflagen betroffen sind, konnte die Schifffsbranche sich lange Zeit den Pariser Klimazielen entziehen. Und so fahren Kreuzfahrt-, aber auch Handelsschiffe immer noch fast alle mit Schweröl über die Meere.

Schweröl ist ein fossiler Brennstoff, der in die Tanks von Großdieselmotoren gefüllt wird. Beim Verbrennen entsteht schwarzer Rauch. Die Abgase schaden aufgrund des hohen Ausstoßes von Treibhausgasen und Schadstoffen sowohl der Gesundheit als auch der Umwelt.

Hoffnungsträger der Branche

Damit die Schifffahrt ökologischer wird, können Schiffsunternehmer seit 2009 den Blauen Engel auch für umweltfreundliche Schiffe erwerben. Um die Auszeichnung zu erhalten, müssen Schiffbauer ein Set von verbindlichen und optionalen Kriterien erfüllen, das von verschiedenen Interessenvertretern entwickelt wurde – darunter auch der Umweltverband Nabu. Die Kriterien berücksichtigen zum Beispiel den Materialeinsatz an Bord oder die Luftschadstoffminderung.

"Die 'Aidanova' erfüllt alle verbindlichen Kriterien und hat bei den optionalen mehr als die notwendige Mindestpunktzahl erreicht", erkennt Felix Poetschke vom Umweltbundesamt an. "Durch den Betrieb des Schiffes mit Flüssigerdgas erlangt die Aida bei der Minderung der Luftschadstoffemissionen viele optionale Punkte."

Dass die "Aidanova" einen Blauen Engel erhalten hat, liege an der Systematik des Umweltzeichens, erläutert Nabu-Verkehrsexperte Daniel Rieger. Der Blaue Engel sei immer ein Vergleich, und in seiner Branche sei das Kreuzfahrtschiff zurzeit das abgasärmste Schiff, denn, so Rieger, "jedes Gasschiff schlägt Schwerölschiffe in puncto Luftschadstoffbelastung um Längen".

Als die Kriterien für umweltfreundliches Schiffsdesign 2013 aktualisiert wurden, sei Flüssigerdgas noch Zukunftsmusik gewesen, erklärt Rieger den Umstand, dass ein Kreuzfahrtschiff den Blauen Engel bekommen konnte. Wichtiger sei dem Umweltverband damals der flächendeckende Einbau von Abgastechnik in der bestehenden Flotte gewesen – doch in diesem Punkt sei der Nabu bei der Entwicklung der Kriterien für den Blauen Engel von anderen Jurymitgliedern überstimmt worden.

LNG ist kein Klimaschutz

Hinter den vielen Erklärungen steckt ein hartes Urteil. "Man sollte kein Kreuzfahrtschiff mit dem Blauen Engel auszeichnen", meint Nabu-Experte Rieger schließlich. Flüssigerdgas sei zwar im Gegensatz zu Schweröl ein Fortschritt in Sachen Luftreinhaltung, aber keiner in Sachen Klimaschutz.

Grund für die Umweltbedenken bei Flüssigerdgas ist der sogenannte "Methanschlupf". Immer wenn man mit Flüssigerdgas zugange ist, entweiche Methan in die Atmosphäre, erklärt der Nabu-Experte. Ob bei der Gewinnung per Fracking oder beim Transport in Leitungen oder Tankern – "in der gesamten Kette gibt es Methanleckagen".

Flüssigerdgas (liquefied natural gas, LNG) ist auf minus 162 Grad heruntergekühltes Erdgas. In diesem flüssigen Zustand weist LNG nur etwa ein Sechshundertstel des Volumens von Erdgas auf – das ermöglicht den Transport per Schiff. LNG zeichnet sich außerdem durch einen geringen Ausstoß von Feinstaub und Stickoxiden aus. Allerdings ist Flüssigerdgas fast reines Methan und damit, wenn es entweicht, etwa 32-mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid.

Trotzdem schlitterte die "Aidanova" vom Papenburger Hafen direkt auf Platz eins im diesjährigen Kreuzfahrt-Ranking des Nabu. Sie erhielt vier grüne Schiffsschrauben in puncto Luftschadstoffminderung, was neben ihr nur ein weiteres Schiff geschafft hat.

Eine Spalte weiter offenbaren sich allerdings bei der Bewertung der Klimabilanz vier rote Schiffsschrauben. Das ist die schlechteste Bewertung in puncto Treibhausgasemissionen – genau wie für die meisten anderen schwimmenden Hotels auch. Nur ein kleiner Teil der Branche werde sauberer, das Gros setze weiterhin auf Schweröl und verzichte auf den Einsatz von Abgastechnik, kritisiert der Nabu.

Teure neue Infrastruktur

Auch Faïg Abbasov, Schifffahrtsexperte beim europäischen Dachverband Transport and Environment (T&E), erkennt an, dass Flüssigerdgas die Luftverschmutzung im Vergleich zu Schweröl deutlich reduziert. "Trotzdem ist LNG wenig umweltfreundlich, denn es ist auch nur ein fossiler Brennstoff."

Untersuchungen von T&E zeigen sogar, dass die "Aidanova" mit gereinigtem Marinegasöl klimafreundlicher als mit LNG fahren würde. Dieses halte die Luft mindestens genauso sauber wie Flüssigerdgas, erklärt Abbasov. Das Öl dürfe dann nur 0,1 Prozent Schwefel enthalten und das Schiff müsse zusätzlich einen Stickoxid-Katalysator und einen Dieselpartikelfilter einsetzen.

Ein weiterer Faktor, der T&E dazu bringt, das supergekühlte Gas zu kritisieren, sind die Kosten für die Flüssigerdgas-Infrastruktur. Bisher muss das Papenburger Novum der Kreuzfahrtschiffe nämlich im Ausland tanken. "Europa hat eine halbe Milliarde US-Dollar in LNG-Betankungs- und Bunkerinfrastrukturen für die Schifffahrt gesteckt", heißt es in einem Papier von T&E. In einem Szenario, in dem Flüssigerdgas weiter gefördert wird, würde dieser Weg die EU bis 2050 zusätzliche 22 Milliarden Dollar kosten.

In Deutschland gibt es zwar Pläne für Anlandeterminals, aber noch keine Realisierung. Das liegt an den hohen Kosten der Hafentankstellen, für die die Unternehmen lange Zeit selbst aufkommen mussten. Erst im vergangenen Juni hatte die Bundesregierung neue Finanzierungsregeln beschlossen, wonach Netzbetreiber die Kosten für den Anschluss an das Fernleitungsnetz auf die Gasverbraucher umlegen können.

Viele Schiffe bis zur Energiewende

Während Europa Gasterminals ausbauen möchte, teilte Aida Klimareporter° auf Nachfrage mit, dass die Verwendung des Treibstoffs nur ein Zwischenschritt sei. Schon in vier Jahren sollen zwar "94 Prozent aller Aida-Gäste auf Schiffen reisen, die vollständig mit emissionsarmem Flüssigerdgas und, wo möglich, im Hafen mit grünem Landstrom betrieben werden", wie Hansjörg Kunze von Aida versichert. Doch "unser Ziel ist der emissionsneutrale Schiffsbetrieb", sagt Michael Thamm, Chef des Aida-Mutterunternehmens Costa.

Bis zur Klimaneutralität muss die Papenburger Meyer-Werft also noch viele weitere Umweltmeilensteine bauen. Aber auf Aida ist wieder einmal Verlass: Erst vor zwei Tagen hat das Schiffsunternehmen eine Kooperation mit dem norwegischen Batteriehersteller Corvus Energy unterzeichnet. Damit soll die künftige Nutzung von Strom durch Lithium-Ionen-Batteriespeichersysteme an Bord der Aida-Flotte gewährleistet werden. Der Konzern befasst sich außerdem mit dem Einsatz von Brennstoffzellen in der Kreuzschifffahrt und mit der Gewinnung von LNG aus regenerativen Energien.

Die Papenburger Geschichte könnte hier enden, gäbe es nicht noch andere Kreuzfahrtunternehmen und eine große Schweröl-Flotte. Und so dämpft Nabu-Experte Rieger mit Blick auf die vielen roten Schiffsschrauben im neuen Kreuzfahrtranking den Optimismus: "Solange der Einsatz fossiler Energieträger massiv subventioniert wird und auch die Emissions- und Energieeffizienzstandards für die Schiffe lächerlich niedrig sind, wird es keine Antriebswende in der Schifffahrt geben."

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