Ein großer Haufen schwarzer Pflanzenkohle, feiner als handelsübliche Grillkohle.
"Die Pflanzenkohle-Industrie in Oregon ist klein, aber sie wächst", schreibt die Forstverwaltung des US-Bundesstaates zu diesem Foto. Nun soll es auch in der EU losgehen. (Foto: ODF/​Flickr)

Die Idee ist richtig gut. Statt Holz, Stroh und andere Biomasse wie bisher zur "grünen" Energiegewinnung einfach zu verbrennen, erzeugt man daraus Pflanzenkohle (englisch biochar) und schafft so einen wichtigen – und dringend benötigten – Zusatznutzen.

Wird Biomasse in Pyrolyseanlagen verkohlt, gewinnt man neben Strom und Wärme auch Biokohle, die, als Dünger eingesetzt, die Bodenqualität verbessert und Kohlenstoff für Jahrtausende im Boden bindet. Es entstehen also negative Emissionen, die für die Pariser Klimaziele unbedingt gebraucht werden. Eine echte Win-win-Lösung für Umwelt und Klima. Oder?

Offen ist dabei die Frage, ob die Idee auch dann noch gut ist, wenn sie im großen Stil eingesetzt wird. Wenn daraus ein Geschäftsmodell wird, mit dem vor allem Geld verdient werden soll, während Klima und Umwelt eine Nebenrolle spielen.

Genau das ist bei der bisherigen Biomasse-Nutzung passiert. An sich ist auch diese Idee zunächst richtig gut. Die vielen Millionen Tonnen an biologischen Reststoffen, die jedes Jahr anfallen und anderweitig nicht mehr zu verwerten sind, wirft man nicht einfach weg. Man nutzt sie, um erneuerbare Energie zu erzeugen, die schmutzige fossile Brennstoffe ersetzen kann. Etwa, indem Kohlekraftwerke auf Biomasse umgerüstet werden.

Doch die Umsetzung der guten Idee schafft Probleme, die den ursprünglichen Ansatz konterkarieren. Weil mit der Klassifizierung als erneuerbare Energie auch Fördermittel verbunden sind – 2020 flossen in der EU 16 Milliarden Euro an öffentlichen Finanzhilfen an die Biomasse-Industrie –, gibt es einen starken Anreiz, möglichst viel Biomasse zu verbrennen.

Die Biomasse-Nutzung ist denn auch förmlich explodiert. Zwei Drittel der Gesamtenergie aus erneuerbaren Quellen, die in der EU erzeugt wird, stammen mittlerweile aus Biomasse – die Hälfte davon Holz.

Weil es gutes Geld bringt, werden die Wälder buchstäblich ausgeräumt und schnell wachsende Plantagen angelegt. Die Menge an "geerntetem" Holz, so der Fachbegriff, wuchs in den vergangenen 20 Jahren um 24 Prozent. Die Produktion von Brennholz legte sogar um 43 Prozent zu.

Dabei ist das Verbrennen von Biomasse nicht einmal klimaneutral, geschweige denn emissionsfrei. Die Kritik an der bisherigen Praxis wird deshalb immer lauter, auch von der Forschungsstelle der EU-Kommission. Sowohl Umweltverbände als auch Fachleute fordern, dass das Verbrennen von Holz nicht mehr als erneuerbar eingestuft wird.

"Biomasse ist nicht unendlich da" 

Theoretisch könnte der Einsatz von Pflanzenkohle diese Probleme verringern helfen. Man würde den in der Biomasse enthaltenen Kohlenstoff schließlich nicht einfach nur durch Verbrennen wieder in die Atmosphäre entlassen. Man würde ihn zurück in den Boden bringen. Dort wäre er zudem sicherer gebunden als in Wäldern, die durch Rodung oder Waldbrände zerstört werden können.

Nutzt man Biokohle als Dünger, wird der enthaltene Kohlenstoff stabil und langfristig im Boden gebunden, sodass der Atmosphäre CO2 entzogen wird. Studien gehen davon aus, dass in 100 Jahren weniger als zehn Prozent des gebundenen Kohlenstoffs wieder freigesetzt werden. Wie groß das Potenzial an negativen Emissionen ist, hängt von vielen Faktoren ab und kann nur geschätzt werden. Die Spannbreite reicht von 500 Millionen bis zu sechs Milliarden Tonnen CO2 jährlich.

Untersuchungen attestieren der Biokohle jedenfalls ein enormes Potenzial, berichtete Claudia Kammann kürzlich bei einer Online-Diskussion der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Die Klimawissenschaftlerin, die am Institut für angewandte Ökologie der Hochschule Geisenheim selbst zu dem Thema forscht, hat die in den letzten Jahren stark angestiegene Zahl von Studien zur Pflanzenkohle einer Meta-Analyse unterzogen.

Demnach hat die Biokohle, neben der langfristigen CO2-Bindung, noch weitere sehr beachtliche Vorteile. Mischt man sie in den Dünger, hilft sie beim Humusaufbau. Kammann spricht von "Verzinsungseffekt".

Zudem kann der Boden Wasser und Nährstoffe besser zurückhalten und filtern, es wird weniger Nitrat ausgewaschen, die Freisetzung von klimaschädlichem Lachgas geht zurück und in den Pflanzen finden sich weniger Schwermetalle. Je nach Boden können sogar höhere Erträge erzielt werden.

All diese Vorteile lassen sich aber nur ausschöpfen, wenn man sehr gute Regeln hat, die streng kontrolliert werden. Andernfalls kann es leicht "in die falsche Richtung gehen", warnte Axel Don vom bundeseigenen Thünen-Institut für Agrarklimaschutz bei der Veranstaltung.

Der Einsatz von Pflanzenkohle ist in Deutschland in der Düngemittelverordnung geregelt. Dort ist Biokohle derzeit nur aus Holz zugelassen. Produziert werden nach Branchenangaben jährlich 20.000 Tonnen (Stand Ende 2020), eine eher bescheidene Menge. Ab Mitte Juli wird sich das ändern. Dann tritt eine neue EU-Richtlinie in Kraft, durch die beispielsweise auch Pflanzenkohle aus Stroh erlaubt ist.

Werden falsche Anreize gesetzt, kann die jetzt schon übermäßige Entnahme von Biomasse aus der Natur noch weiter zunehmen. Geholfen wäre damit vor allem Firmen, die sich die Klimadienstleistung der Biokohle gutschreiben lassen, um ihre Produkte als "CO2-neutral" vermarkten zu können, statt selbst Emissionen zu reduzieren.

Auch Forscherin Kammann warnte vor "neuen Begehrlichkeiten". Biomasse, sagte sie, "ist nicht unendlich da". Vorrangiges Ziel müsse sein, mehr Biomasse in der Landschaft zu haben, nicht weniger. Das helfe dem Klimaschutz am meisten.

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