Sich drehendes Windrad
Viele Windräder drehen sich inzwischen in Deutschland, trotzdem kommt die Energiewende nicht voran. (Foto: Herbert Aust/​Pixabay)

Wer sein Produkt bei gleichen Kosten zum doppelten Preis losschlagen kann, verdient sich unweigerlich eine "goldene Nase". Das gilt gegenwärtig auf dem Strommarkt für erneuerbare Energien wie vermutlich auch für Braunkohle- und Atomkraftwerke. Nur Gaskraftwerke müssen sich, der hohen Erdgaspreise wegen, bei den Stromerlösen bescheiden.

Was fossile und atomare Stromerzeuger derzeit an sogenannten "Windfall-Profits" erzielen, darüber gibt es bislang keine Schätzungen. Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) berechneten in einer jetzt veröffentlichten Studie aber die Zusatzeinnahmen der Stromerzeuger, die ihr Produkt über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EGG) bezahlt bekommen.

Ausgangspunkt für die DIW-Forscher ist die sogenannte Marktprämie. Nach dem Modell erhalten, so die Studie, die Betreiber "fast aller geförderter Windanlagen und von rund einem Drittel der Solaranlagen" eine Mindestvergütung für ihren Strom.

Bei der Marktprämie müssen die Betreiber ihren erneuerbaren Strom selbst oder über Vermarkter im Strommarkt unterbringen. Bleiben die Erlöse dort unter der von der Bundesregierung festgelegten oder in Ausschreibungen ermittelten Einspeisevergütung, wird diese auf die garantierte Höhe aufgestockt. Das Geld dafür kommt vom EEG-Konto, das von den Stromkund:innen mit der EEG-Umlage gefüllt wird.

Für Windstrom lag die garantierte Vergütung seit 2000 laut Statistik etwa zwischen neun und zehn Cent je Kilowattstunde. Im Jahr 2021 erhöhten sich aber, wie die DIW-Forscher feststellten, die Großhandels-Strompreise von rund fünf Cent im Januar bis in den Dezember auf etwa 16 Cent für Windkraft an Land sowie auf mehr als 25 Cent für Solarstrom.

"Erzeuger sind abgesichert, Kund:innen nicht"

Dies führte zu einer signifikanten Stromkostensteigerung für private und gewerbliche Kund:innen, schreiben die DIW-Forscher. Die Marktprämie für EEG-Anlagen stelle somit eine asymmetrische Absicherung dar: "Die Erneuerbare-Energien-Anlagen sind gegen niedrige Preise abgesichert, Stromkund:innen jedoch nicht im selben Maße gegen hohe Strompreise geschützt", lautet die konzentrierte Kritik.

Genau genommen haben sich die DIW-Forscher nicht einfach gefragt, was Stromverbraucher:innen mehr bezahlt haben, sondern sie untersuchten, was die Stromkund:innen weniger bezahlt hätten, wenn die Politik EEG-Anlagen nicht über die Marktprämie, sondern über sogenannte Differenzverträge (Contracts of Difference) fördern würde.

Das sind europaweit breit eingesetzte Verträge. Sinken bei ihnen die Strom-Erlöse unter eine garantierte Vergütung, bekommen die Betreiber – wie bei der Marktprämie – die Differenz draufgelegt. Liegt der Erlös aber darüber, hat der Betreiber den Überschuss ans Förder-Konto abzuführen – wovon hierzulande die  EEG-Umlage zahlenden Kund:innen wiederum etwas hätten.

Hätte die Bundesregierung bei Wind an Land und Photovoltaik bereits in der Vergangenheit auf Differenzverträge statt auf die Marktprämie gesetzt, hätten auch die Stromkund:innen davon profitiert, schreiben die DIW-Forscher und rechnen aus: 2021 wären dann die Stromkosten um fast 1,7 Milliarden Euro geringer gewesen. Allein im Dezember hätte die Ersparnis bei etwa 750 Millionen Euro gelegen.

Die Forscher lesen hier den regierenden Marktprämien die Leviten: Wegen des Verzichts auf Differenzverträge erzielen die Betreiber erneuerbarer Anlagen "satte Zusatzgewinne", und zwar "indirekt auf Kosten der Verbraucher:innen, die kräftig draufzahlen mussten". Die DIW-Experten beklagen hier das Ungleichgewicht: Obwohl die Konsument:innen bei niedrigen Strompreisen die Erneuerbaren per EEG-Umlage über Jahre hinweg gefördert hätten, seien sie im Gegenzug nicht gegen hohe Strompreise abgesichert.

In diesem Jahr droht nach Auffassung der Forscher das Desaster sogar noch größer zu werden: Richten sich die Strompreise in den nächsten Monaten danach, was kommende Stromlieferungen an der Strombörse EEX schon heute kosten, ergäbe sich ein Preisniveau von circa 17,5 Cent je Kilowattstunde.

Damit könne sich eine Differenz von etwa sechs Milliarden Euro zwischen Marktprämie und Differenzverträgen einstellen, heißt es in der Analyse. Die sechs Milliarden Euro lassen – ganz grob geschätzt – jede Kilowattstunde Strom, die aus der Steckdose kommt, um nahezu zwei Cent teurer werden.

Windkraft-Branche wiegelt ab

Die Forscher plädieren dafür, für neue Anlagen künftig auf Differenzverträge umzustellen. Nicht nur die Erzeuger, sondern auch die Kundschaft sollten gegen Strompreisrisiken abgesichert werden. Die Umstellung soll nur auf Neuanlagen zutreffen, wie Studienautor Karsten Neuhoff vom DIW gegenüber Klimareporter° betont.

Die hiesige Windbranche zeigt sich von einer Umstellung auf Differenzverträge wenig begeistert. Man werde sich die DIW-Studie noch genauer ansehen, erklärte Wolfram Axthelm, Geschäftsführer beim Bundesverband Windenergie (BWE), am Freitag bei einem Briefing.

Zwar finde man das Signal im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung gut, solche Verträge zur Versorgung der Industrie zu erwägen, sagte Axthelm. Für die "aktuellen Herausforderungen" am Strommarkt seien Differenzverträge aber "nicht die kurzfristige Lösung".

Der BWE-Geschäftsführer wie auch andere Expert:innen verweisen in dem Zusammenhang stets darauf, dass die Ursache für die aktuelle Strompreiskrise in hohen Preisen für fossile Brennstoffe, besonders für Erdgas, zu suchen sei.

Das ist sicher richtig, im Kern aber kein wirklicher Einwand gegen Differenzverträge. Denn diese würden den Erneuerbaren ja in jedem Fall die garantierte Einspeisevergütung sichern, mit der die Wind- oder Solaranlage kalkuliert wurde – Gewinne eingeschlossen.

Warum hohe fossile Preise den erneuerbaren Erzeugern "Windfall-Profits" auf Kosten der Stromkund:innen bescheren sollen – das muss die Branche noch plausibel erklären.

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