So viel feuchter Schnee ist im Januar ungewöhnlich. (Foto: Hans Braxmeier/​Pixabay)

Schneechaos, Schneewahnsinn, Schneekatastrophe – der Rest der Republik schaut seit einer Woche gebannt auf das dramatische Naturschauspiel, das sich in Oberbayern – sowie in Österreich und der Schweiz – abspielt.

Natürlich: Auch früher hat es öfter Winter mit sehr starken, tagelang andauernden Schneefällen gegeben. Das gehört zum Leben in den Alpen und auch im Voralpengebiet dazu.

Doch diesmal scheint alles eine neue Dimension zu erreichen, nicht nur wegen der gigantischen Schneehöhen, die sich durch die lang anhaltende Stauwetterlage auftürmen, sondern auch bedingt durch die milde Witterung, die vor allem Pappschnee und Regen liefert. Das erhöht die Schneelasten und damit die Gefahren für die Stabilität der Gebäude enorm.

Bisher, das muss man attestieren, haben die Betroffenen das "Chaos" mit Bravour gemeistert. Sie fräsen sich durch die weißen Massen, schaufeln Dächer frei, halten die Versorgung so gut es geht aufrecht. Auch die meisten Touristen verhalten sich vernünftig, die tragischen Lawinen-Unglücke in Vorarlberg mit mehreren Toten waren wohl Ausreißer.

Wirtschaftliche Belastung für den Skitourismus

Freilich kommen viele Helfer von Technischem Hilfswerk, Freiwilliger Feuerwehr und Bergwacht bei ihrem Sisyphus-Job gegen den Schnee an ihre physischen Grenzen. Und so ist es gut, dass die Bundeswehr in den fünf bayerischen Landkreisen, die den Katastrophenfall ausgerufen haben, eingesetzt wird, um die Schäden zu begrenzen. Nebenbei ein willkommener Push fürs Image der Truppe, weil die eingesetzten Pionierpanzer, Radlader und Mehrzweckraupen tatsächlich einmal wie geplant funktionieren.

Dass die Schule eine Zeitlang ausfällt, dürfte verkraftbar sein. Ebenso, dass manche Berufstätige in den betroffenen Regionen Urlaub nehmen müssen, weil sie nicht mehr an den Arbeitsplatz fahren können. Trotzdem droht das Schneechaos zu einer ernsten wirtschaftlichen Belastung für die Schneegebiete zu werden, unter anderem wegen der Folgen für den Tourismus. Urlauber stecken fest, kommen gar nicht erst ans Ziel oder stornieren ihre Buchungen.

Größere Schäden an Gebäuden waren bisher zum Glück nicht zu beklagen, anders als etwa 2006, als bei einem ähnlichen Schneewinter in Bayern und Österreich das Dach der Eishalle in Bad Reichenhall aufgrund des hohen Schneedrucks einstürzte. Damals starben 15 Menschen.

Ein Fingerabdruck der Erderwärmung?

Passiert diesmal nichts ähnlich Dramatisches, was zu hoffen ist, werden die ökonomisches Schäden verkraftbar sein, vor allem in einem reichen Bundesland wie Bayern. Allerdings ist es wichtig, nach dem Ende des Schneechaos nicht wieder einfach zur Tagesordnung überzugehen. Denn Klimaforscher schließen nicht aus, dass extreme Wetterereignisse wie das aktuelle künftig häufiger eintreten könnten. Zumindest passt das, was gerade im Nordstau der Alpen passiert, ins Bild der Erderwärmung.

Strömungen schaufeln nun schon seit über einer Woche feuchte Luftmassen, die sich über einem ungewöhnlich warmen Nordatlantik aufgeladen haben, nach Mitteleuropa. Dass sie sich an der Alpenvorderseite stauen und dadurch starke Niederschläge verursachen, ist normal.

Doch dass sie im Januar, dem üblicherweise kältesten Wintermonat, dort nicht als Pulverschnee, sondern als schwerer Pappschnee oder gar Regen herunterkommen, ist in der Tat ungewöhnlich. Die Luftmassen sind für die Jahreszeit viel zu warm. Möglicherweise ein Fingerabdruck der Erderwärmung.

Man darf das Thema nicht überstrapazieren. Nicht jedes Wetter-Extremereignis, das uns Menschen beeindruckt, beeinträchtig oder sogar quält, ist auf den Klimawandel zurückzuführen. Manchmal ist es auch einfach nur das chaotische Wetter – und kommt uns nur deswegen so ungewöhnlich vor, weil das (kollektive) Gedächtnis so kurz ist.

Extremereignisse häufen sich

Klimaalarmismus aufgrund eines einzelnen Ereignisses ist fehl am Platz. Trotzdem sollte es selbst Klimaskeptikern zu denken geben, dass sich die früheren Prognosen aus der Forschung zu erfüllen scheinen, wonach die globale Erwärmung sich ab dem ersten 2000er Jahrzehnt nicht nur in den Computern, sondern auch im realen Leben von Otto Normalbürger bemerkbar machen dürfte.

Der Hitzesommer im Jahr 2003, mehrere "Jahrhunderthochwasser" in Serie, sich häufende Extremniederschläge, das Super-Trockenheitsjahr 2018 und nun das Schneechaos – alles Illustrationen dafür, dass sich die Wettermuster aufgrund des Klimawandels grundlegend ändern. Im Falle des Jahrhundertsommers in Mitteleuropa haben Klimaforscher ermittelt, dass sich die Wahrscheinlichkeit für ein solches Ereignis durch die globale Erwärmung bereits verdoppelt hat.

Eine solche Aussage für das aktuelle "Schneechaos" zu treffen, wäre verfrüht. Auch ist nicht gesagt, dass der Winter so mild bleiben wird wie bisher. Im letzten Winter war der Januar ebenfalls zu warm, und dann folgten noch sehr kalte Monate, bis im April dann auf einen Schlag der Extremsommer des wärmsten Jahres in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen einsetzte.

Kein Grund für Panik, aber doch dafür, viel ernsthaftere Politik als bisher für Klimaschutz und Klimaanpassung zu machen.

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