Montage: Atomexplosion / Sonnenuntergang
Montage: Atomexplosion und Sonnenuntergang. (Foto/​Montage: Gaspar/​Flickr, CC BY 2.0)

Sicherheitsexperten auf der ganzen Welt warnen davor, dass die Gefahr eines Atomkrieges wieder wächst. Die USA und Russland haben ihren Kontrollvertrag zu den Mittelstrecken-Waffen gekündigt, Nordkorea testet seit Jahren Nuklearraketen, und auch die Nachbarländer Indien und Pakistan rüsten atomar auf.

Welche verheerenden Folgen selbst ein "begrenzter" Atomkrieg zwischen diesen beiden Staaten in Südasien haben würde, zeigt eine neue Studie von US-amerikanischen Klima- und Umweltforschern: Binnen weniger Tage könnten 50 bis 125 Millionen Menschen sterben, und die gesamte Erde würde in eine verheerende, bis zu zehn Jahren andauernde "Kaltzeit" gestürzt.

Derzeit haben die beiden Großmächte USA und Russland die Kontrolle über mehr als  90 Prozent der geschätzt 13.900 Atomwaffen weltweit. Doch Indien und Pakistan rüsten ihre Nuklear-Arsenale weiter auf. Die Experten von der University of Colorado gehen davon aus, dass die beiden Länder im Jahr 2025 zusammen über bis zu 500 Atomwaffen verfügen werden. Gegenwärtig sind es laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri um die 200.

Die Sipri-Experten halten es auch für denkbar, dass zwischen Indien und Pakistan ein atomar geführter Konflikt ausbricht. Neu-Delhi und Islamabad haben nukleare Erstschläge nicht völlig ausgeschlossen – nämlich für den Fall, dass das Nachbarland einmarschiert oder biologische oder chemische Waffen einsetzt.

Millionen Tote und ein verdunkelter Himmel

Indien und Pakistan reklamieren jeweils die Hoheit über die Grenzregion Kaschmir für sich, beide Staaten waren mehrfach in bewaffnete Konflikte um die Region verwickelt. Zuletzt warnte Pakistans Premier Imran Khan im August vor einem neuen Krieg, nachdem Neu-Delhi den bisher gültigen Sonderstatus des indischen Teils Kaschmirs aufgehoben hatte.

Die US-Forscher haben laut ihrem Artikel im Fachmagazin Science Advances ein Szenario durchgerechnet, in dem beide Länder nach einem zuerst konventionellen Angriff binnen einer Woche 250 Atomwaffen mit einer Sprengkraft von bis zu 100 Kilotonnen gegen Großstädte einsetzen.

Bereits in der ersten Woche könnten dort durch die Wucht der Explosionen, Verstrahlung und Brände 50 bis 125 Millionen Menschen sterben. Das wäre "ein in der menschlichen Geschichte beispielloser Krieg", sagte der Leiter der Studie, Klimaforscher Owen Brian Toon. Erstmals könnten dadurch mehr Menschen zusätzlich umkommen, als sonst weltweit im Jahr an natürlichen Ursachen sterben.

Hinzu kämen die Folgen für das globale Klima. Die nuklearen Explosionen und die Brände würden enorme Mengen an Rauch freisetzten, die bis in die Stratosphäre gelangen können und sich innerhalb von Wochen weltweit ausbreiten würden. Die Forscher schätzen, dass bis zu 36 Milliarden Kilogramm Ruß dort hinaufgeschleudert würden.

Folge: Die Sonneneinstrahlung wäre um 20 bis 35 Prozent verringert und die Erdoberfläche würde sich abkühlen – je nach der in dem Konflikt eingesetzten nuklearen Sprengkraft zwischen drei und 5,5 Grad Celsius. Bei minus fünf Grad wäre das Niveau erreicht, das auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit vor rund 21.000 Jahren herrschte.

Missernten und Hungersnöte

Gleichzeitig käme es zu einem deutlichen Rückgang der Niederschläge – im globalen Durchschnitt um 20 bis 30 Prozent. Denn durch die niedrigeren Temperaturen verdunstet weniger Wasser aus den Ozeanen und es fällt dann weniger Regen oder Schnee. In Indien und Pakistan könnten die Niederschläge laut der Studie sogar jahrelang ausbleiben.

Die Abkühlung, das fehlende Sonnenlicht und der Niederschlagsrückgang hätten für die globale Nahrungsmittelversorgung gravierende Folgen – es drohen Missernten und Hungersnöte. Die Produktivität der Landflächen, die auch agrarisch genutzt werden, könnte dem Toon-Team zufolge für mehrere Jahre um 15 bis 30 Prozent sinken, in einigen Regionen Nordamerikas und Eurasiens sogar um 50 Prozent.

Auch das Planktonangebot im Meer, von dem die gesamte Nahrungskette und damit die Fischerei abhängen, ginge um zehn bis 20 Prozent zurück. Betroffen von Nahrungsmittelknappheit könnten mehr als die zwei Milliarden Menschen sein, die in einer früheren Studie zu den Folgen eines regionalen Atomkriegs ermittelt wurden, warnen Toon und Co. Laut der Studie würde es rund zehn Jahre dauern, bis sich die Zustände in der Atmosphäre wieder normalisiert haben.

Toon sagte: "Wir hoffen, dass Pakistan und Indien diese Untersuchung zur Kenntnis nehmen." Er appellierte allerdings auch an die Atom-Großmächte USA und Russland, die Abrüstung wieder voranzutreiben.

Hoffnung durch TPNW-Vertrag

Die Anti-Atom-Ärztevereinigung IPPNW und die Abrüstungsorganisation Ican Deutschland zeigten sich äußerst besorgt über die Ergebnisse der Studie. Nötig sei ein grundlegender Wandel in der Abrüstungspolitik.

Hoffnung sehen die Organisationen darin, dass vor zwei Jahren 122 von insgesamt rund 200 Staaten weltweit für den Atomwaffenverbotsvertrag TPNW gestimmt haben. Inzwischen haben 32 Staaten den UN-Vertrag ratifiziert, für das Inkrafttreten sind aber 50 Ratifikationen notwendig.

Die offiziellen und die De-facto-Atommächte wie eben Indien und Pakistan nahmen allerdings an den TPNW-Verhandlungen nicht teil. Anders als Österreich, die Schweiz und die Niederlande war auch Deutschland nicht dabei.

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