Rot-gelb leuchtende Dachumrandung einer Shell-Tankstelle in Waiblingen, schräg von unten gegen den schwarzen Nachthimmel aufgenommen.
Shell erkennt keinen direkten Zusammenhang zwischen seinen Produkten und der Klimakrise. (Foto: Marc Rentschler/​Unsplash)

Es geht um eine der spektakulärsten Klagen, mit denen Umweltschützer weltweit versuchen, eine konsequentere Klimapolitik auf dem Rechtsweg zu erzwingen. Im Prozess gegen den niederländisch-britischen Erdöl- und Erdgasmulti Shell wird seit Ende November vor dem Bezirksgericht in Den Haag verhandelt.

In den vier dafür angesetzten Anhörungstagen prallten die Ansichten diametral aufeinander. Shell argumentierte, kein einzelnes Unternehmen könne für das Klimaproblem verantwortlich gemacht werden.

Die Kläger hingegen beharrten darauf, jeder müsse Verantwortung übernehmen – vor allem die großen Verursacher, "angefangen bei Shell".

Angestrengt wurde die Klage von der niederländischen Umweltorganisation Milieudefensie, die wie der deutsche BUND zum Netzwerk Friends of the Earth gehört, und sechs weiteren Umweltverbänden sowie rund 17.000 Bürgern.

Die Kläger wollen erreichen, dass der Konzern die Emissionen, die sich aus seinen weltweiten Geschäften ergeben, bis 2030 um 45 Prozent senkt. Das entspricht den CO2-Minderungszielen, die sich aus dem Pariser Klimavertrag ergeben. Danach soll die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad begrenzt werden.

Die Anwälte des Konzerns, der für rund drei Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich ist, stellten den Klimawandel als kollektives Problem dar. "Shell allein kann das derzeitige System nicht ändern. Die Gesellschaft als Ganzes muss sich ändern", trugen sie vor.

Als privates Wirtschaftsunternehmen gehöre Shell weder dem Pariser Klimaabkommen von 2015 noch der UN-Klimarahmenkonvention an, die 1992 geschlossen wurde. "Das sind Abkommen, die zwischen Staaten geschlossen wurden", sagte Anwalt Dennis Horeman dem Drei-Richter-Gremium.

Haftungsrecht und Menschenrechtskonvention

Horeman zufolge kann Shell in den Niederlanden nicht für die weltweiten Emissionen haftbar gemacht werden. Der jeweilige "Tatort" sei der Ort, an dem die CO2-Emissionen entstehen. Der Konzern mit Hauptsitzen in Den Haag und London ist in rund 140 Ländern tätig.

Milieudefensie-Anwalt Roger Cox sagte in den Anhörungen, die diese Woche zu Ende gingen: "Jeder sieht, wie wichtig es ist, einen lebenswerten Planeten zu haben und deshalb den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Außer anscheinend Shell."

Die Umweltverbände argumentieren, der Konzern verletze sowohl das niederländische Haftungsrecht als auch Artikel 2 und Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Sie stützen sich zudem auf die sogenannte Kellerluken-Entscheidung des Hohen Rates der Niederlande von 1965. Danach kann ein Unternehmen haftbar gemacht werden, falls es eine Situation herbeiführt, von der es hätte wissen müssen, dass sie gefährlich sein könnte. Das jeweilige Gericht muss aber auch beurteilen, wie schwierig es für das Unternehmen wäre, Abhilfe zu schaffen.

Die Klimaschützerin Sara Shaw von Friends of the Earth sagte zum Abschluss der Anhörungen: "Unsere Hoffnung ist, dass dieser Fall eine Welle von Klimaprozessen auslöst, um weitere Konzerne zur Rechenschaft zu ziehen und das Ende des fossilen Zeitalters einzuleiten."

Das Urteil soll am 26. Mai gesprochen werden.

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