Grafik: Eine Pflanze, die aus einem Haufen Geldscheine wächst
Grafik: Kristin Rabaschus

Deutschland soll zu einem führenden Standort für nachhaltige Finanzierungen umgebaut werden. Den Weg zu dieser "großen Transformation" soll nach dem Willen der schwarz-roten Bundesregierung ein Sustainable-Finance-Beirat weisen.

Ihm gehören neben Repräsentanten der Deutschen Bank, BMW oder Allianz auch Vertreter "alternativer" Institutionen wie der GLS Gemeinschaftsbank oder der Bürgerbewegung Finanzwende an.

Hintergrund ist die Entscheidung von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und des Bundesumweltministeriums, eine Sustainable-Finance-Strategie, also eine nachhaltige Finanzstrategie für die Bundesrepublik zu entwickeln. Beteiligt war auch das Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier (CDU).

Im Ergebnis der unterschiedlichen politischen Interessen wurde im Juni 2019 ein Beirat berufen. Dessen 38 Mitglieder aus der Real- und Finanzwirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft haben Ende Februar einen 132-seitigen Abschlussbericht vorgelegt.

Unter dem Titel "Shifting the Trillions: Ein nachhaltiges Finanzsystem für die Große Transformation" spricht der Beirat 31 Empfehlungen aus, wie die Billionen (amerikanisch: trillions) umgeschichtet werden sollen. Die Palette reicht von Empfehlungen an die deutsche Politik über eine bessere Berichterstattung der Unternehmen bis zu Bildungsprogrammen für Schüler.

Der Bundesregierung kommt in dem Papier die Hauptrolle zu. "Sie muss einen kohärenten, zukunftsfähigen und nachhaltigen Politikrahmen setzen", sagte Beiratsvorsitzender Karsten Löffler während der Präsentation des Berichtes in der Bundespressekonferenz. Löffler unterrichtet im Alltag an der Frankfurt School of Finance & Management.

Zudem sollten Bund und Länder nachhaltige Anleiheemissionen auflegen. Ein Vorschlag, den Finanzminister Olaf Scholz bereits beherzigt.

Im September hatte er erstmals eine grüne Bundesanleihe ausgegeben und sich zum Zinssatz von 0,0 Prozent 6,5 Milliarden Euro geliehen. Investoren weltweit sehen Deutschland als sicheren Hafen und geben sich daher mit Nullzinsen zufrieden.

Offene Türen dürfte auch der Vorschlag einrennen, staatliche Banken wie die KfW auf das Pariser Klimaabkommen und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen einzuschwören. Die Förderbank ist hier bereits im Rennen.

Nur ein grüner Lagebericht?

Aber auch die private Wirtschaft wird gefordert. Die Finanzmarktakteure sollen "zusätzliche Mittel und vorhandene Kapitalströme" in nachhaltige Geschäftsmodelle lenken. Ein grüner Lagebericht soll, wie bei Aktiengesellschaften in Ansätzen üblich, auch für Mittelständler Teil des geprüften Jahresabschlusses werden.

Allein neun der Empfehlungen beziehen sich auf ein solches ESG-Reporting. ESG steht für Environmental, Social und Governance (auf Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung).

Zukünftig sollen alle Firmen mit mindestens 250 Beschäftigten solch einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht zusammenstellen und veröffentlichen, unabhängig von ihrer Rechtsform. Das schaffe Vergleichbarkeit und fördere so den Trend zur Nachhaltigkeit, den Beiratsmitglied Michael Schmidt von der Fondsgesellschaft Lloyd bei der Kundschaft schon spürt.

Ebenfalls in die grüne Pflicht sollen Verbraucher genommen werden. Im europäischen Vergleich sieht Beirätin Silke Stremlau von den Hannoverschen Kassen Deutschland erst im Mittelfeld. Um die fünf Prozent ihres Ersparten hätten Bundesbürger in mehr oder weniger nachhaltige Geldanlagen investiert. Im gewerblichen Bereich sei es etwas mehr.

"Privatanlegerinnen und -anlegern fehlt bei ihrer Investitionsentscheidung ein System zur Klassifizierung konkreter Nachhaltigkeitschancen und -risiken einer Investition", erklärt Stremlau den unnachhaltigen Status quo. Eine Verbraucherampel könnte abhelfen, die alle Finanzprodukte von eins bis fünf bewertet.

Nur, nach welchen handfesten Kriterien soll das geschehen? "Die Empfehlungen des Beirats sind konkret und praxistauglich", lobt Finanzwissenschaftler Löffler. Genau daran bestehen allerdings berechtigte Zweifel.

"Die elementare Basis für Investitionsentscheidungen in nachhaltige Projekte sind die richtigen Informationen und am Ende Daten", sagt Ullrich Hartmann, Nachhaltigkeitsexperte der Beratungsgesellschaft PwC Deutschland. "Diese Daten liegen aktuell noch in unzureichender Menge sowie Qualität vor und müssen entwickelt werden."

Hartmann unterstützt die Empfehlung des Beirates, die Berichtspflichten auf EU-Ebene zu heben. Das hätte erhebliche Auswirkungen auch auf Banken und Versicherungen.

Finanzinstitute würden zukünftig neue große Datenmengen beispielsweise in ihrem Risikomanagement benötigen. "Besonders wichtig", so PwC-Berater Hartmann, "ist daher die Empfehlung, eine einheitliche ESG-Rohdatenbank auf EU-Ebene zu schaffen."

"Warum sind umweltschädliche Aktivitäten überhaupt erlaubt?"

Einen anderen, wohl leichter umsetzbaren Schwerpunkt setzt Beirats-Mitglied Gerhard Schick von der "Bürgerbewegung Finanzwende". Er lobte auf einer eigenen Pressekonferenz die Empfehlungen als "eine gute Grundlage für die weitere Arbeit".

Der frühere grüne Bundestagsabgeordnete will vor allem die per Gesetz Gemeinwohl-orientierten Sparkassen in die Pflicht nehmen. Dieses Gemeinwohl ist allerdings bislang in den Sparkassengesetzen der Länder eher vage formuliert. Hier könnten Regierungen und Parlamente nachhaltig nachbessern.

Angesichts der breiten Zustimmung – sie reicht von den ministeriellen Auftraggebern über die Deutsche Kreditwirtschaft bis zu Naturschutzbund und Germanwatch – fällt die Kritik des Kapitalmarktexperten Friedrich Thießen besonders ins Gewicht. Er lehrt an der Technischen Universität Chemnitz.

Aus ordnungspolitischer Sicht, so Thießen, müsse die Sustainability-Politik der Bundesregierung kritisiert werden. Die Bundesregierung fordere Kommunen, private Unternehmen und Personen auf, nicht in umweltschädliche Unternehmen zu investieren oder ihr Geld zurückzuziehen. "Warum aber sind die umweltschädlichen Aktivitäten überhaupt erlaubt?"

Thießen befürchtet, dass es dem Beirats-Bericht ähnlich ergehen könnte wie vielen anderen Sachverständigengutachten zuvor: Es werde viel geredet und wenig getan. Die Politik wolle schließlich keinem wirklich wehtun.

Mit dem Ende der Legislaturperiode im Herbst wird übrigens auch das Mandat des Sustainable-Finance-Beirats enden.

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