Windrad in der Landschaft

Zusätzliche tausende Megawatt Windkraft bis 2020 – die große Koalition hat die Entscheidung mindestens aufgeschoben. (Foto: Hasehirn/​Wikimedia Commons)

Als dringlich sieht die Bundesregierung den Ausbau der erneuerbaren Energien offenbar nicht an: In einem Referentenentwurf des Wirtschaftsministeriums für ein sogenanntes "100-Tage-Gesetz", mit dem die Bundesregierung die eiligsten Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) noch vor der Sommerpause festzurren will und der Klimareporter vorliegt, stehen die geplanten Sonderausschreibungen von 4.000 Megawatt für Wind- und Solarprojekte nicht drin.

Es geht um Folgendes: Laut Koalitionsvertrag wollen Union und SPD den Anteil des erneuerbaren Stroms auf "etwa 65 Prozent" erhöhen. Ob sich die Zahl auf den Brutto- oder den Nettoverbrauch bezieht, hat die Bundesregierung nicht näher spezifiziert. Beides dürfte allerdings bei den aktuellen Ausbau-Deckeln für erneuerbare Energien schwierig werden.

Diese Beschränkungen für die Erneuerbaren zu lockern oder gar zu streichen, war bei den Koalitionären nicht im Gespräch. Gleichzeitig stellten sie aber fest: "Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss deutlich erhöht werden, auch um den zusätzlichen Strombedarf zur Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehr, in Gebäuden und in der Industrie zu decken."

Deshalb überlegten sich SPD und Union zumindest eine Art Trostpflaster. Als Sofortmaßnahme kündigten sie an, bis 2020 zusätzliche Ausschreibungen für Wind und Sonne über den bisherigen Zubau hinaus vorzusehen. Diese gesonderten Auktionen sollten demnach 2019 und 2020 stattfinden. In jedem der beiden Jahre sollten Ausbaumengen für Windräder an Land sowie Solaranlagen, jeweils mit einer Leistung von 2.000 Megawatt, sowie ein sogenannter Offshore-Windenergiebeitrag versteigert werden.

Unklar ist jetzt, ob die Sonderausschreibungen generell infrage gestellt sind – oder ob sie lediglich nicht mehr zu den dringlichen Punkten im 100-Tage-EEG gehören. Dieses Gesetz soll das Kabinett am 9. Mai beschließen, der Bundestag dann am 29. Juni sowie der Bundesrat am 8. Juli. Dann ist parlamentarische Sommerpause  – und erst mal ein paar Monate nichts mit neuen Gesetzen. 

"In der Koalition setzen sich die Energiewende-Blockierer durch"

Umweltschützer finden das politische Signal in beiden Fällen fatal. Schon nach sechs Wochen sei die Bundesregierung dabei, die "einzige konkrete Klimaschutzmaßnahme des Koalitionsvertrags zu meucheln", empört sich Andree Böhling, Energieexperte von Greenpeace. "Nur wenn die Bundesregierung die vereinbarten Sonderausschreibungen für Wind- und Sonnenstrom noch vor dem Sommer verabschiedet, lassen sich die avisierten CO2-Einsparungen von bis zu zehn Millionen Tonnen bis 2020 erreichen."

Um die im Koalitionsvertrag versprochene Einsparung von acht bis zehn Millionen Tonnen CO2 zu erreichen, sind die zusätzlichen 4.000 Megawatt ohnehin zu wenig, meint der Bundesverband Windenergie. Er hält die Vergabe weiterer 2.000 Megawatt bis 2020 für unerlässlich.

Erwartungsgemäß sind auch die anderen Erneuerbaren-Verbände nicht erfreut. Es gebe keinen "fachlichen Grund", die Sonderausschreibungen jetzt wieder infrage zu stellen, erklärte Peter Röttgen, Chef des Gesamt-Branchenverbands BEE.

Die Bundesregierung verspielt Röttgen zufolge auch eine Chance, die EU-Kommission milde zu stimmen, wenn diese wegen der verkorksten Energiewende gegen Deutschland vorgeht. "Die EU-Verpflichtung Deutschlands, nach der bis zum Jahr 2020 erneuerbare Energie mit 18 Prozent zum Endenergieverbrauch beitragen soll, wird deutlich verfehlt", moniert der Branchenvertreter. Mit den Sonderausschreibungen könne die Lücke nur etwas verkleinert werden.

Für den Grünen-Politiker Oliver Krischer begehen Union und SPD bereits Wortbruch, "bevor sie überhaupt richtig angefangen haben zu arbeiten". Durchgesetzt hätten sich die Energiewende-Blockierer in der Koalition. Auch für Krischer bleibt es ein "Rätsel, wie die Bundesregierung ihr Ökostrom-Ziel erreichen will".

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